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BZ 20.12.2014 - Gesund leben

20. Dezember 2014 BZ Nr. 51/14Gesund leben 42 Kampagne gestartet: „Umsonst ist keine Reha“ Anzeige Stefan G., Maschinenbautech- niker, war 2014 Patient in einer psychosomatischen Reha-Kli- nik in Baden-Württemberg: „Ein Jahr Mobbing am Arbeits- platz. Die Sorge um meinen demenzkranken Vater. Der Tod meines Schwagers, meiner Schwiegereltern. Am ersten Arbeitstag nach dem Weih- nachtsurlaub bin ich zusam- mengebrochen. Ich kam erst in ein Kranken- haus, nach einer Woche in eine psychiatrische Klinik. Ich litt an schweren Panik-Attacken, einer Depression. Ich bekam Medika- mente, die mir halfen, wieder ersten Halt zu finden. Danach habe ich die Klinik noch drei Wochen lang als Tagespatient besucht. Meine berufliche Wie- dereingliederung ging schnell, nach zwei Wochen habe ich wieder Vollzeit gearbeitet. Als meine Reha genehmigt wurde, dachte ich spontan: Ach, eigent- lich brauche ich das gar nicht mehr. Doch erst in der Reha- Klinik konnte ich den Ursachen für meine Erkrankung auf den Grund gehen. Gemeinsam mit meinem Arzt ging ich weit zurück: 26 Jahre. Damals hatten meine Frau und ich unser erstes Kind verloren. Diese Erschütte- rung hat mich empfindlicher ge- macht. Und nach so langer Zeit brach dann alles wieder auf. In der Ergotherapie habe ich mit Speckstein gearbeitet. Ich dach- te zunächst, ein Geschenk da- raus zu machen. Doch dann wurde es ein Grablicht für mei- nen verstorbenen ersten Sohn. Meinen Heilungserfolg verdan- ke ich zu 50 Prozent meinem Arzt und dem Ergotherapeuten und zu 50 Prozent den anderen Patienten. Es hat mich sehr posi- tiv berührt, wie die Patienten zusammenhalten, gut miteinan- der umgehen, einander vertrau- en können. Ich bin jetzt sehr froh, dass ich die Reha gemacht habe. Die Depression macht dich total dicht. In der Klinik war ich überrascht zu erleben, was ich alles kann – und was ich alles gutkann.IchhabeneuesZutrau- en gefasst, neue Perspektiven gesehen. Das ist, als ob die Sonne aufgeht... Inzwischen hat sich auch mein Leben gedreht. Meinem Vater geht es etwas besser. An mei- nem Arbeitsplatz fühle ich mich wieder wohl. Unsere Familie hat sich vergrößert: Wir haben nette neue Verwandtschaft. Als ich in der Reha-Klinik an- kam, wurden die „Neuen“ von den anderen Patienten begrüßt. Von einem Tisch konnte sich je- der eine Karte mit einem Be- griff nehmen. Ich habe „Freude“ gezogen. Noch während der Reha habe ich mir einen alten Traum erfüllt und begonnen, das Segelfliegen zu lernen. Ge- meinsam mit den Vögeln schraubst du dich in der Ther- mik nach oben … unglaublich. Beim ersten Mal vorne im Flie- ger habe ich diese Freude ge- spürt. Ich musste lachen. Mein Fluglehrer frage, warum. Ich sagte: Ich bin einfach froh. Eine gute Reha hat Stefan G. geholfen, seine Depressionen in den Griff zu bekommen. Er geht wieder voll arbeiten und fühlt sich wohl. Eine medizinische Reha macht viele Patientinnen und Patienten wieder fit für Alltag, Familie und Be- ruf. Außerdem rechnet sie sich für die gesamte Solidar- gemeinschaft. Trotzdem werden noch immer viele Reha-Anträge abgelehnt und notwendige Leistungen nicht ausreichend vergütet. Verbände, wie die Baden-Würt- tembergische Krankenhaus- gesellschaft (BWKG) haben schon viel versucht, um den Gesundheitspolitikern die Nöte der Reha-Medizin nahe zu brin- gen. Die Politik nimmt die posi- tiven Wirkungen der Reha „er- freut zur Kenntnis, tut aber nichts“, so die Erfahrungen der Gesundheitseinrichtungen. Darum möchten die baden- württembergischen Kliniken nun mit einer landesweiten Reha-Kampagne unter dem Motto „Umsonst ist keine Reha“ einen „Weckruf an die Politik“ auslösen. Seit zwei Wochen hängen in 90 Reha- Einrichtungen, die Mitglied in der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) sind, Plakate mit bewegenden Patientenge- schichten. Außerdem werden Unterschriften für eine höhere Wertschätzung der Reha ge- sammelt. Die Kampagne läuft bis ins Frühjahr 2015 in zahlreichen Reha-Kliniken gleichzeitig. In der Reha habe ich gelernt, dass nur ich mir helfen kann. Die Ärzte können mir nur den Schubs geben. Ich habe geübt, mich stärker abzugrenzen. Ich muss nicht mehr jedem Men- schen helfen. Wenn mich ein Kollege fragt: ‚Können wir das und das noch machen‘, dann sage ich: Gerne – morgen! In vier Jahren werde ich wieder eine Reha beantragen. Denn: Das steht mir zu. Ich habe genug gegeben.“ Ohne Reha könnte sie nicht mehr allein in ihrer Wohnung leben. Antonie N., 88 Jahre alt, war 2013 und 2014 Patientin in einer geriatrischen Reha-Kli- nik in Baden-Württemberg: „Vor mehr als einem Jahr bin ich in unserer Garage gestürzt. Ich wollte auf der Beifahrerseite ins Auto einsteigen. Auf dem Boden war ein feuchter Fleck. Da ist mein Stock wegge- rutscht. Ich habe mir den rech- ten Oberschenkel gebrochen. Dann folgten Krankenhaus, Ope- ration, Reha. Heuer bin ich im Wohnzimmer hingefallen. Diesmal war der linke Oberschenkel gebrochen. Bei der Operation wurde ein langer Nagel im Knochen befes- tigt. Leider ist der Nagel gebro- chen. Ich musste noch einmal operiert werden. Als ich 2013 aus dem Kranken- haus in die Reha-Klinik kam, dachte ich: Das wird nichts mehr. Aber die Therapeuten haben mich wieder hinbekommen. Und alle waren so nett, so freundlich und hilfsbereit. Deshalb war ich vor meinem zweiten Reha-Au- fenthalt optimistischer. Ange- kommen bin ich dort im Roll- stuhl. Jetzt stehe ich wieder auf beiden Beinen. Die Therapeu- ten haben dauernd mit mir geübt: Mit dem Rollator gehen, Treppen steigen, mit dem Ergo- meter radeln – jeden Tag ein bisschen mehr. Massagen habe ich auch bekommen. Spaß ge- macht hat die Sitzgymnastik in der Gruppe. Es ging nicht nur um den Körper. Wir haben auch ÜbungenfürdenKopfgemacht, z.B. „Stadt, Land, Fluss“ ge- spielt. Ohne Reha wäre gar nichts gegangen. Die ambulante Phy- siotherapie findet zweimal in der Woche statt. Das ist viel zu wenig! Hier ist alles intensiv, man bleibt immer am Ball. Jeden Tag spürt man Fortschritte. Jetzt freue ich mich wieder auf zu Hause. Meine Familie lebt im selben Haus, aber ich habe eine eigene Wohnung. Ich finde es schön, dass ich noch alleine leben kann. Ich sitze zum Bei- spiel sehr gerne auf meiner Terrasse, auch bei Regen. Sie ist überdacht. Martin Nicklaus, Chefarzt der geriatrischen Reha-Klinik, in der Antonie N. behandelt wurde: „In der geriatrischen Reha betrachten wir nicht nur den aktuellen Anlass – zum Beispiel die Wiederherstellung der Mo- bilität nach einem Knochen- bruch – sondern den gesamten Menschen, die gesamte Situati- on, kümmern uns um alle Begleiterkrankungen. Wir haben hier die Chance, die Medikamente und auch die Schmerztherapie optimal ein- zustellen. Auch die Ernährung ist ein wichtiges Thema. Frau N. hatte stark abgenommen. Wir haben hier mit dem Ge- wichtsaufbau begonnen. Außerdem spielt die psychi- sche Situation eine große Rolle. Wir beobachten die Patientin- nen und Patienten, stützen, er- muntern sie. In die Beratung beziehen wir auch die Angehörigen mit ein. Gemeinsam besprechen wir die Situation nach der Reha: Braucht die Familie Unterstüt- zung durch einen ambulanten Dienst? Welche Hilfsmittel kön- nen das Leben erleichtern und sicherer gestalten? So vermei- den wir den sogenannten „Ver- sorgungsabbruch“, das heißt, wir kümmern uns darum, dass alte Menschen zu Hause naht- los weiter versorgt werden.“

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